Here is the original article in German:
http://www.taz.de/Streit-um-elfjaehrige ... le/!90229/Streit um elfjährige Transsexuelle
Alex soll in die Psychiatrie
Die transsexuelle Alex fühlt sich als Mädchen und lebt auch so. Nun urteilte ein Gericht, dass ihre Mutter die Transexualität „induziert“ habe. Das Kind soll in die Psychiatrie.von Heide Oestreich
Alex fühlt sich als Mädchen. Bild: privat
BERLIN taz | Die transsexuelle Alex Kaminski (Name geändert) darf in die Psychiatrie eingewiesen werden. Dies entschied das Berliner Kammergericht am Donnerstag. Die Mutter der Elfjährigen hatte gegen die Entscheidung des Jugendamts geklagt und verloren. Ihr Anwalt kündigte an, vors Verfassungsgericht zu ziehen.
Das Kind, das sich sein Leben lang als Mädchen fühlt und wie ein Mädchen lebt, darf nun in die Berliner Charité zwangseingewiesen werden. Das Jugendamt konnte diese Entscheidung treffen, weil die getrennt lebenden Eltern unterschiedliche Auffassungen über die medizinische Behandlung des Kindes hatten und die Gesundheitsfürsorge deshalb ans Jugendamt abgetreten hatten. Dort vertrat eine Pflegerin die Auffassung, Alex solle in der Charité stationär behandelt werden und anschließend in eine Pflegefamilie wechseln.
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Die Pflegerin meint, die Mutter habe die Transsexualität des Kindes „induziert“, deshalb müsse Alex aus ihrem Einflussbereich gebracht werden. In der Charité geht es darum, Alex sein „biologisches“ Geschlecht nahe zu bringen und „geschlechtsatypisches Verhalten“ zu „unterbinden“, erklärt Chefarzt Klaus Beier die Therapie. Das bezeichnet die Hamburger Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt als „überholten Standpunkt“. Eine Zwangseinweisung erscheint ihr unklug. Ob die Mutter die Transsexualität induziere, könne auch in einer ambulant festgestellt werden.
Kein Gutachten erforderlich
Mutter und Tochter baten darum, psychiatrisch begutachtet zu werden. Doch diese Begutachtung lehnte das Kammergericht nun ab. Ein Gutachten sei nicht erforderlich, zitiert der Anwalt der Familie aus dem Beschluss. Die Ausführungen der Pflegerin seien nachvollziehbar, die angestrebte stationäre Diagnostik liege in deren Ermessen. Demgegenüber sei der Mutter vorzuwerfen, dass sie beabsichtige, das Kind an den Unikliniken in Hamburg und Frankfurt am Main – den einzigen Spezialisten für Transsexualität im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – vorzustellen.
Der Anwalt der Kaminskis nennt den Beschluss „erschreckend“: „Die Ansicht, dass eine Transsexualität über Jahre hinweg und widerspruchslos ’induziert‘ werden könne, wird nirgends in der Fachliteratur vertreten. Das ist eine Erfindung dieser Pflegerin.“ Diese habe sich nur ein einziges Mal eine Stunde lang mit dem Kind unterhalten – dessen Ansichten habe sie ignoriert.
Anwalt und Familie wollen nun vors Bundesverfassungsgericht ziehen. In Sorgerechtsangelegenheiten könne dies sehr schnell entscheiden, so der Anwalt, von Karlsruhe werde das Recht des Kindes in der Regel ernst genommen.
Internationale Unterschriftenkampagne
Unterstützung bekommt Alex auch von MenschenrechtsaktivistInnen. Am Montag um 15 Uhr wird das „Aktionsbündnis Alex“ vor der Berliner Senatsverwaltung für Jugend demonstrieren, Motto: „Zwangspsychiatrisierung von Alex sofort stoppen!“ „Dies ist keine Einzelgeschichte“, heißt es in dem Aufruf. „Institutionen wie das Jugendamt und die Charité üben durch Zwang und psychischen Druck Gewalt auf Menschen aus! Jedes Geschlecht und jede Geschlechtsidentität ist ein Recht, keine Krankheit.“
Auch eine Unterschriftenkampagne ist auf den Weg gebracht. Die britische transsexuelle Aktivistin Katrina Swales startete sie auf Change.org. An Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit gerichtet, heißt es dort: „Diesem jungen Mädchen wird beigebracht, dass seine Gefühle falsch sind, es wird somit immer mehr in jene Selbstverneinung gedrängt, welche schon das Leben so vieler Transsexueller gefordert hat.“ Unterschrieben haben über 9.000 Menschen.
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